Das mittelalterliche Herrschaftssystem in Europa war auf dem Prinzip der Gnade aufgebaut. Das bedeutete eine strikte Hierarchie mit der “Vorstellung der „gnädigen Autorität“ (mit Gott als höchstem Vorbild) (…). Zur Vorstellung der Gnade gehört, dass sie von Autoritäten ausgeht, persönlich und situationsbezogen ist, dass sie nicht gefordert werden kann“.
Diese Wertigkeit des Begriffs Gnade findet man auch heute noch in der Benutzung, z.B. „Wenn jemand gnadenlos sein Recht einfordert, heisst das, dass der Beschuldigte seine gerechte Strafe erhält. Lässt der Ankläger hingegen Gnade walten, wird dem Beschuldigten die Strafe ganz oder teilweise erlassen.“
Im Sinne dieser Bedeutung des Begriffes Gnade fragen wir uns, welche Strafe Tiere denn verdienen sollen, vor der wir Gnade walten lassen? Wir gehen nicht davon aus, dass ein Tier den Tod und/oder ein kurzes Leben in Qual und Ausbeutung rechtmäßig verdient, nur weil es kein menschliches Tier ist, sondern vom Menschen z.B. als sog. Nutztier bezeichnet wird.
Mit dem Begriff Tierlebenshof möchten wir weg von der gesellschaftlichen Norm, dass Tiere den Tod rechtmäßig verdienen. Wir möchten durch den Begriff die Gegenposition einnehmen. Auch Tiere haben unserer Meinung nach das moralische Recht auf ein Leben ohne Qual und Ausbeutung.
Der Begriff Tierlebenshof soll auch als ein politisches Zeichen dienen. Es soll ausdrücken, dass wir uns eine Welt wünschen, in der nicht einzelne Tiere auf persönliche und situationsbezogene Ausnahmen angewiesen sind, in denen ihnen Gnade gewährt wird vor den alltäglichen und unfassbaren Qualen in einer von (Tier-)Ausbeutung geprägten Gesellschaft.
Vielleicht sieht man es nicht auf den ersten Blick, aber wenn wir davon ausgehen, dass Sprache immer bestimmte Normen und Wertigkeiten ausdrückt, und diese jedesmal gefestigt werden, wenn ein bestimmter Begriff benutzt wird, der mit bestimmten Normen und Werten verknüpft ist, dann möchten wir lieber die Werte festigen, dass Tiere Leben verdient haben, anstatt situationsbezogene Gnade.
Deshalb nutzen wir also den Begriff „Tierlebenshof“ und würden uns freuen, wenn das auch andere täten, wenn sie von uns berichten.